Schuster bleib bei deinen Leisten

Schuster bleib bei deinen Leisten

Als ich mal wieder durch das Heimatmuseum Eltze bummelte, habe ich die Werkstatt von Friedrich Brandes fotografiert. 



Viele Dinge rund um Leisten und Leder sind zu sehen. Schon der Vater von Friedrich hatte als Schuhmacher gearbeitet; er kaufte 1902 das Haus, in dem auch Friedrich bis ca. 1970 seine Werkstatt hatte (re.) und dafür sorgte, dass in Eltze niemand mit kaputten Sohlen umher laufen musste. Denn Schuhe waren in der Zeit sehr teuer; so mancher musste für neue Schuhe oder gar Stiefel lange sparen. Mehr als ein Paar - so wie heutzutage - hatte fast keiner. 

Zur Zeit des Krieges konnten sich die meisten kein teures und schickes Schuhwerk leisten. Der Schuh war reduziert auf seine Funktion den Fuß zu schützen. Schuhe wurden lange getragen und oft nur notdürftig repariert.

Ich selbst kann mich noch an den Schuhmacher bei mir zu Hause in Ricklingen (Hannover) erinnern. Er war der Vater eines Schulfreundes und da sind wir Kinder oft in der Werkstatt gewesen. Es roch nach Leder, Klebstoff und so manch anderen Düften (!). All diese Erinnerungen werden wach beim Anblick der Schusterutensilien im Heimatmuseum Eltze.
Super finde ich die Idee des Heimatvereins Eltze, diese Werkstatt wieder zum Leben zu erwecken, schließlich gibt es in unserer Straße auch heute noch einen Schuhmacher. Wilfried Schinke allerdings ist Orthopädieschuhmacher und hat in seinem Berufsleben so manchem kranken Fuß wieder auf die Füße geholfen.

Wilfried Schinke erzählt mir, dass zur Ausbildung eines orthopädischen Schuhmachers nicht nur Schuhmacherfähigkeiten gehören, sondern auch Kenntnisse in der Fußmedizin: „Früher wurde ein Schuh noch genäht und genagelt. Heute werden die einzelnen Teile verklebt, was die Arbeitszeit um 50 % auf eine Stunde verkürzt“, so erfahre ich von ihm. 
 Während der Schuhmacher einst für das Einstechen (Rahmen vernähen) eine Stunde brauchte und ebenso lange für das Zwicken (also das ‚Heften‘ des Leders mit Nägeln auf der Sohle), braucht er heute nur die Hälfte der Zeit, da das Verkleben nun mal schneller geht.

Und als wir so am Klönen sind, erfahre ich auch interessante Dinge über Bärenkleber, Dreifüße, Beißzange, Zwickzange und Randmesser.

Randmesser, für das Ablassen/Entgraten der Sohlenkanten (u.li.). Wilfried Schinke zeigt, wie es Schuster Brandes früher getan hat.
Schumachereisen - ein sog. Dreifuß (u.re.) - heute ein begehrtes Sammlerstück. Ich habe erfahren, dass man sie gut als Buchstützen verwenden kann.

Schauen wir also bei Zwicken zu. Mit einer  Zwickzange wird das Leder stramm um den Leisten (o.) gezogen.






Wenn die beiden Teile des Spanners im Stiefel steckten, wird noch ein wenig nachgeholfen (u.)


Stiefel waren teuer und damit sie in Form blieben, gab es Stiefelspanner (u.)

Dazu gab es Schuhlöffel. Diese wurden oft edel in einer Schatulle verpackt, damit die Dame von Welt ihr Schuhwerk auch außerhalb der eigenen vier Wände bequem und schnell an- und ausziehen konnte (li.)
Nur die Männerstiefel hatten Haken und Ösen, die mit dieser Maschine in den Schuh gearbeitet wurden (re.)
Früher wurde Sohle, Sohlengelenk und Absatz genagelt und genäht; heute wird die Arbeit schneller mit Kleber erledigt.

Rätselfrage: Was ist das (o.re.) ???
Antwort: Es ist der Schemel, unter dessen Sitz der Schuster immer den Bärenkleber von seinen Händen abputzt. Bärenkleber ist sehr elastisch und fehlte in keiner Schuhmacherwerkstatt. 


Hinweis: Anlässlich der 750-Jahrfeier der Schuhmacher-Innung Braunschweig im April 2010 berichtete der Obermeister Rudolf Goerke, dass es im Gründungsjahr der Innung mehr als 700 Schuhmacher in der Stadt gab. Heute gibt es noch 5 Braunschweiger Innungsmitglieder. Im ganzen Einzugsbereich der Innung sind es gerade einmal 16; diese Region reicht von Wolfsburg bis Peine und Salzgitter.

Und wenn wir denn schon bei Peine angelangt sind, möchte ich noch über eine Kuriosität berichten, die bereits 1948 durch die Medien ging:
Es soll sich oft zugetragen haben, dass die Schuster bei Preisverhandlungen mit Kunden stets hart blieben. Und bevor der Kunde den nächsten Schuhhändler erreichte, waren Schuhe bzw. Stiefel schon vor ihm von Laden zu Laden gelangt. Erneut hatte der Kunde kein Glück beim Handeln. Das zog sich immer so weiter, bis der Kunde dann am Ende doch das Schuhwerk kaufte und das auch noch zu höherem Preis.
Super für die Schuhhändler, sie sollen sich den Verdienst brüderlich geteilt haben ... (lach) 


Das unsere Schusterwerkstatt eine gewisse Berühmtheit erlangt hat, zeigt dieses Bild hier im Beitrag, denn vor einiger Zeit war sie Requisite in der plattdeutschen Komödie Meister Anecker von August Lähn, das die Plattdeutsche Laienspielgruppe des Heimatvereins Eltze aufgeführt hat. Danke für die Bilder an Karin und Helmut Heim. 


Auch Anecker war Schuhmacher mit einer kleinen Werkstatt. Er hatte eine Frau und eine unverheiratete Schwägerin. Und die war es, die dem schüchternen Bürgermeister den Kopf verdrehte, so dass Anecker viele Probleme bekam.


Ein lustiges Stück, dass die Laienspieler aus Eltze zwar auf die Bühne, aber in die Kulisse der echten Schuhmacherwerkstatt gebracht haben.

Und ich frage mich nun, was diese Schuhmacherwerkstatt wohl im wahren Leben alles gesehen hat?


Diese Schusterwerkstatt ist heute im Kornspeicher in Straupitz im Spreewald ausgestellt.


Die Schusterkugel ist ein mit Wasser gefüllter farbloser Glas-Kolben in Kugelform, der u.a. früher oft in Schusterwerkstätten zu finden war, bevor es elektrisches Licht gab. Der Arbeitsplatz konnte mit der Schusterkugel gut ausgeleuchtet werden und der Schuster hat oft bis spät in die Nacht hinein gearbeitet. 


Das es auch heute noch Schuhleisten aus Holz gibt, zeigen diese zwei. 

Und das passend für unsere Füße in Gr. 38 und 42 (schmunzel)


Wir haben sie uns im Fagus Werk in Alfeld gekauft. Das 1911 von Carl Benscheidt gegründete und vom Architekten Walter Gropius gebaute Werk ist mit seiner Stahl-Glas-Konstruktion wegweisend in der modernen Architektur anzusehen.

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